Tagebuch 2009

Der erste Hinweis, Diagnose, bis zur ersten Stammzellen-Transplantation

Juni 2008   Bei einer Blutspende-Aktion stellt sich heraus, dass mein roter Blutfarbstoff (Hämoglobin) zu gering ist. Eisen-Mangel wird vermutet. Eine genauere Untersuchung im Labor des AKh über unsern betriebärztlichen Dienst stellt leicht verminderte Werte im roten und weißen Blutbild fest. Die Eisen-Werte sind optimal. Nachdem ich mich sonst topfit fühle, wollen wir das erst einmal so auf sich beruhen lassen und zu einem späteren Zeitpunkt die Untersuchung wiederholen.
 
inzwischen   Mein Arbeitalltag (insbesondere die Betreuung der Linz09 GmbH) wird immer intensiver, viele Überstunden werden erforderlich. Dass ich manchmal erschöpft bin und abends früher müde werde, wundert mich nicht. Im Nachhinein sollte sich herausstellen, das eine schleichend zunehmende Blutarmut (Anämie) die Ursache sein sollte. Besonders gegen Abend stellten sich dann Sehstörungen ein, dass ich am Bildschirm kaum mehr lesen konnte und alles nur mehr verschwommen sah. Das erklärte ich mir durch die intensive Bildschirm-Arbeit über viele Stunden. Die Ursache war aber auch eine Zunahme meiner Eiweiß-Werte.
 
29. Jänner 2009   Neuerliche Blutabnahme beim betriebsärztlichen Dienst. Ich bin zuversichtlich, dass sich die Werte wieder normalisiert haben. Trotz erhöhter Belastung am Arbeitsplatz fühle ich mich topfit und gesund.
 
4. Februar 2009   Ulla Schwarz vom betriebsärztlichen Dienst ruft an, die Befunde sind da, ich solle mir bei ihr eine Überweisung zur Ambulanz der Abteilung Interne 3 holen. Es müsse da etwas genauer abgeklärt werden und meine Unterlagen wären auch schon dort.
Dort erläutert OA Dr. Hochreiner den Befund, erzählt etwas von einem extremen Lambda-Wert und einer M-Zacke. Hellhörig wird er, als ich erzähle, dass bei meinem Großvater, der vor 40 Jahren gestorben ist, ein Plasmozytom diagnostiziert wurde. Er wundert sich ein wenig, dass man das damals schon so benannt hätte. Aus wissenschaftlicher Sicht wird ausgeschlossen, dass diese Krankheit erblich wäre.
Dr. Hochreiner will sich noch nicht auf eine Diagnose festlegen. Aber für den nächsten Tag wird schon festgelegt, dass eine Probe meines Knochenmarks aus dem Beckenknochen entnommen werden soll. Außerdem wird für 16. Februar eine Magnetresonaz-Tomographie für ein komplettes Skelett-Screening vereinbart.
Bei meinen anschließenden Recherchen im Internet mit den Fachbegriffen, die ich mir notiert habe, lande ich eindeutig beim Multiplen Myelom – Knochenmark-Krebs.
Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass ich ein Ablaufdatum habe. Andererseits weiß ich, dass dieser Umstand schon mit meiner Geburt eingetreten ist. Außerdem überlegte ich mir, dass es viele andere Krankheiten und Lebensumstände gibt, die die Lebensqualität wesentlich mehr beeinträchtigen, als ich mir bereits über meine Krankheit erlesen habe.
Als nächstes schlug ich bei Rüdiger Dahlke nach – und da war es mir klar. Seit 1½ Jahren weiß ich ganz genau, dass ich mein Leben nicht so führe, wie es meiner Natur entspricht. Vor allem ein soziales Umfeld außerhalb der familiären Verpflichtungen, kulturelles Leben waren mir vollständig verloren gegangen. Mir fehlten die Menschen, die mich inspirierten, neue Gedanken zu entwickeln. Mir fehlte es, irgend etwas zu tun, einfach, weil es Spaß und Freude macht – ohne danach zu fragen, was es unmittelbar bringen soll. Das wurde mir ganz besonders bewusst, nachdem ich gemeinsam mit meinem Sohn Konrad angefangen habe, mich im Volunteer-Programm bei Linz09 zu beteiligen. Wir hatten einen Riesen-Spaß, als wir zu Silvester bei Standard-Time im Akkord die Bretter für die digitale Zeitanzeige umschraubten oder beim Tiefenrausch die Führungen begleiteten.
Mir wurde durch die Krankheit etwas geschenkt, dass mich ganz klar darauf hinwies, dass es Zeit war wieder in meine Spur zu kommen.
 
5. Februar 2009   Im Rahmen der Knochenmarks-Punktion frage ich die Ärztin, dass zwar Dr. Hochreiner noch keine konkrete Diagnose nennen wollte, aber dass ich entsprechend seinen Hinweisen aufgrund von Internet-Recherchen zum Schluss gekommen wäre, dass meine Krankheit Multiples Myelom sein müsse. – Sie bestätigte mir, dass bei dem Blutbild davon auszugehen sei.
 
17. Februar 2009   Nach dem Skelett-Screening am 16. Februar lasse ich mir einen Termin bei Dr. Hochreiner geben. Für den am morgigen Tag vereinbarten Termin bei meiner TCM-Ärztin, Dr. Barbara Riccabona brauche ich alle vorhandenen Befunde.
Die Diagnose steht jetzt fest. Aus medizinischer Sicht ist eine Chemotherapie erforderlich, die grundsätzlich ambulant verabreicht wird.
Link siehe: Multiples Myelom
 
inzwischen   Nach und nach fange ich an, mein Umfeld über meine Krankheit zu informieren und stelle fest, dass das manchmal auf andere erschreckender wirkt, als auf mich selbst. Allgemein begegnet mir viel Verständnis und Entgegenkommen.
Vor allem am Arbeitsplatz wird mir jede Unterstützung zugesagt. Mein PC wird gegen ein Notebook ausgetauscht, mit dem ich auch im Rahmen der ambulanten Behandlungen in der Tagesklinik bzw. im Fall von erforderlichen stationären Aufenthalten im AKh über unser W-LAN-Netz arbeiten kann, als würde ich im Büro sitzen.
Damit ich nicht immer allen die gleiche Geschichte erzählen muss, fasse ich den Entschluss, einerseits, um auch für mich meine Befindlichkeit zu reflektieren, für diejenigen, die sich dafür interessieren, via Internet zu informieren, wie es mir so geht.
 
18. Februar 2009   Barbara ist guter Dinge. Meine Konstitution ist nach TCM-Diagnostik sehr gut. Wenn da nicht die Werte eindeutig wären, könnte man meinen, ich wäre gar nicht krank. Auch meint sie, dass es inzwischen in Österreich sehr gute Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Vor allem bietet die TCM gute Unterstützung mit chinesischen Kräuter-Rezepturen – um mich einerseits zu stärken – damit wollen wir gleich beginnen. Ab dem Beginn der Chemotherapie, werden dann die Kräuter angepasst, dass die Medikamente gut aufgenommen werden und andererseits die Nebenwirkungen etwas abgefangen werden.
Als besondere Ernährungs-Empfehlung soll ich Milch-Eiweiß von Kuh und Schaf (Milch, Joghurt, Käse) meiden. Eine aktuelle Studie habe ergeben, dass 97,7 % der Menschen Probleme mit Milch-Eiweiß haben, weil eine Insulin-Fraktion den Abbau der freien Radikale behindert und so Auslöser von Brustkrebs bei Frauen bzw. Prostata-Krebs bei Männern sein kann. Butter ist möglich – enthält kein Milch-Eiweiß. Ziegenmilch-Produkte wären für Menschen verträglich. Kalzium könne ich mit Sesam-Körnern zuführen – jeden 2. Tag einen Kaffeelöffel voll. Weiters soll ich täglich ⅛ l Rote-Rüben-Saft trinken und 1 x pro Woche eine Suppe aus Jungrind oder Kalbsknochen mit Wurzelgemüse (2-3 Stunden kochen) zubereiten.
 
24. Februar 2009   Nachdem nun alle Untersuchungen ausgewertet sind, bespricht Dr. Hochreiner die bevorstehende Therapie. Statt wie ursprünglich geplant, mit Thalidomid, soll die Behandlung mit Velcade erfolgen. Einer aktuellen Studie zufolge wird Velcade in Amerika seit 5 Jahren erfolgreich als Erstlinientherapie eingesetzt. Velcade wirkt dabei gezielter auf kranke Zellen und habe geringere Nebenwirkungen.
Eigentlich sollte ich gleich in der Folgewoche mit der Behandlung beginnen. Doch das geplante Logosynthese-Seminar wollte ich mir auch nicht entgehen lassen. Daraufhin meinte Dr. Hochreiner, dass ich, wenn ich nicht zufällig über die Blutspende auf die Spur gekommen wäre, wohl jetzt noch nicht einmal wüsste, dass ich krank wäre und so könnten wir mit der Therapie auch eine Woche später beginnen.
 
2./3. März 2009   Das Logosynthese-Seminar war genau die richtige Einstimmung auf meine Therapie. Einerseits war ich schon durch zunehmendes Bewusstsein um meine Krankheit in einen veränderten – irgendwie "entrückten" – Bewusstseinszustand gekommen. Die Logosynthese und viel intensive Arbeit in einer kleinen Gruppe brachten mich total in meine Mitte. Seither fühle ich mich total zentriert und so entspannt, wie noch nie in meinem Leben.
Es fühlt sich so an, als würde ich in einer Parallelwelt leben und vieles was mir vorher nahe gegangen war, konnte mich nicht mehr berühren. Andererseits schien die Zeit langsamer zu laufen und alles erschien auf einmal übersichtlicher und klarer.
 
10./11. März 2009   Für die erste Therapie war ich stationär im AKh. Ich genoss 2 Tage Erholung ohne spürbare Nebenwirkungen.
An Medikamenten bekomme ich zuerst eine Infusion Zofran gegen allfällig auftretende Übelkeit. Auf meine Frage, ob es nicht besser wäre, abzuwarten, ob überhaupt Übelkeit auftreten würde, geht die Ärztin nicht wirklich ein. – "Das geben wir immer dazu." Velcade, das eigentliche Medikament bekomme ich als Spritze – pro Turnus über 2 Wochen jeweils dienstags und freitags. Fortecortin (Cortison) bekomme ich in Tablettenform und ist 4 Tage lang (Di-Fr) in den beiden Wochen zu nehmen. Am ersten Behandlungstag jedes Turnusses gibt's auch noch Zometa, damit sich Osteolysen der Knochen rückbilden. Damit die auszuscheidenden, abgestorbenen Myelomzellen keine Thrombosen verursachen, gibt's durch die gesamte Therapie am Abend eine Spritze Fragmin.
So soll das nun bis Ende Mai dahin gehen: 4 Turnusse in denen ich 2 Wochen lang Medikamente bekomme und dann eine Woche Pause bis zum nächsten Turnus.
 
14./15. März 2009   Nach dem Krankenhaus – wieder zu Hause genehmige ich mir am Abend 2 Gläser Wein und nachdem die Medikamente zuerst noch keine spürbaren Nebenwirkungen zeigten, sah ich auch sonst keinen Grund, meine Ernährung dementsprechend abzustimmen. Am Wochenende zeigt die Chemotherapie ihre Nebenwirkungen. Die auftretende innere Unruhe kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht als eine Nebenwirkung von Cortison erkennen.
Normalerweise half mir bei solchen Zuständen Weizentee, von dem ich dann gleich täglich 2 Liter zu mir nahm. Das Resultat war eine Verstärkung des durch Cortison hervorgerufenen Feuchtigkeitszustandes. Mein Gesicht schwoll an. Klar denken funktionierte auch nicht mehr gut.
 
16. März 2009   Im Lauf des Montag entspannt sich die Situation. Mein Kopf wird wieder klarer – und mir, was alles an Ernährung kontraproduktiv war. Als nächstes kommen auch die Bananen (kühlend + befeuchtend) aus meiner wöchentlichen Obstkiste. Wein gibt's erst wieder in der Woche ohne Medikamente.
 
inzwischen   Die Achtsamkeit bei der Ernährung zeigt Wirkung. Das Wochenende nach der 2. Therapiewoche spürt sich schon wesentlich besser an. In der Woche Behandlungspause fühle ich mich wieder ganz normal.
Von den Nebenwirkungen, nach denen ich bei den Therapien immer abgefragt werde (Übelkeit, Kopfschmerzen, Haarausfall, Infektionen, …) zeigen sich nur die Irritationen der Nerven, was manchmal mehr oder weniger auftritt. Das Cortison bringt eine eigenartige, zittrige, inneren Unruhe. Auch die Knie sind manchmal etwas wackelig. Manchmal treten dadurch Koordinationsstörungen auf, dass ich beim Gehen einen Schlenker zur Seite mache. Beim Autofahren oder Rad fahren, wenn die Knie entlastet sind, geht's gut. Manchmal gibt es auch so ein Kribbeln in den Händen oder es fallen mir Gegenstände aus der Hand bzw. darf ich beim Kochen etwas achtsamer sein, damit ich mich nicht schneide. Manchmal ist es auch ein wenig schwierig komplexere Zusammenhänge zu überblicken oder es entfallen mir zunehmend Namen und Bezeichnungen. Insgesamt fühle ich mich phasenweise weniger belastbar oder dass mir beim Rad fahren die Luft ein wenig knapp wird, wenn ich einen Sprint einlege.
Die Ärztin im Krankenhaus empfiehlt mir, Neurobion zu nehmen, ein Medikament, das den Nervenstoffwechsel unterstützt und vor allem B-Vitamine enthält. – Noch ein Medikament? – Die Alternative wäre, dass die Beeinträchtigung der Nerven es erforderlich machen würde, die Dosis meiner eigentlichen Medikamente zu reduzieren. – In weiterer Folge drücken sich dank Neurobion die Nebenwirkungen der Therapie deutlich milder aus.
 
31. März 2009   Beginn des 2. Behandlungsturnus. Die Behandlung hat ihre Wirkung gezeigt. Mein Richtwert, der M-Gradient (sollte optimalerweise "0" sein), ist von meinem Ausgangswert "73,5" auf "19,7" gesunken.
 
10.-13. April 2009   Das Oster-Wochenende (nach dem 2. Therapieturnus) ist heftig. Die Nebenwirkungen sind auch am Montag noch da. Gut, dass der noch frei ist. Einen langen Arbeitstag hätte ich noch nicht durchgedrückt.
 
16. April 2009   Termin bei Barbara – sie ist begeistert über meine gute Konstitution nach TCM-Diagnostik und dass sich die Nebenwirkungen der Chemotherapie weitestgehend in Grenzen halten.
Es ist schon eine recht seltsame Krankheit. – Die Krankheit selbst drückt sich nicht in Beschwerden aus. Erst die Behandlung führt dazu, dass man sich nicht so gut fühlt. Wie es einem geht, erkennt man an den Labor-Werten. Wie man sich fühlt, ist weniger aussagekräftig. In meinem Fall weiß ich, dass das nur Ausdrucksformen von irritierten Nerven sind, die sich nach Ende der Therapie wieder geben.
 
21. April 2009   Beginn des 3. Behandlungsturnus - mein M-Gradient ist weiter auf "8,6" gesunken.
 
25. April 2009   Gestern habe ich im Garten wirklich was weitergebracht: Rasen gemäht, vertikutiert und alles auch noch schön weg geräumt. Wie von früher gewohnt, habe ich einfach dahin gearbeitet, bis alles erledigt war. Dafür komme ich heute kaum auf die Beine und brauche den Sonntag wirklich ganz und gar als Ruhetag und verschlafe auch den halben Tag.
 
30. April 2009   Für das Ende des 3. Therapieturnus plane ich gleich die erforderlichen Ruhezeiten, nehme mir gleich am Nachmittag frei und auch den Montag nach dem Wochenende. Am Nachmittag brauche ich jetzt eine gute Stunde Extra-Schlaf. Ansonsten sind die Nebenwirkungen wie gewohnt.
 
15. Mai 2009   Beginn des 4. Behandlungsturnus – mein M-Gradient ist weiter auf "4,9" gesunken.
 
17.-20. Mai 2009   Die Nebenwirkungen der Chemotherapie werden intensiver. Dazu kommen ziehende Schmerzen vom unteren Rücken, die Rückseite und Außenseite der Beine entlang. Am Wochenende und am darauf folgenden Montag gebe ich auch der zunehmenden raschen Ermüdung nach. Die ziehenden Schmerzen werden aber vom Liegen stärker. Meridian-Dehnungsübungen und Bewegung lässt diese wieder zurückgehen. Besonders schmerzhaft ist die Dehnung des Lungenmeridians – wird aber leichter, wenn ich nicht nachgebe.
Damit habe ich auch die Antwort auf die Frage, die mich immer wieder beschäftigt, ob ich mir mehr Ruhe gönnen soll. Es ist wohl besser manchmal die Müdigkeit ein wenig zu überwinden und im Rahmen des Möglichen in Bewegung zu bleiben. Besonders gut tut mir Rad fahren. Mit meinen wackeligen Knien bin ich nicht so gut zu Fuß.
Barbara meint, dass ich mich gut halte, aber mich über ein gewisses Maß an Nebenwirkungen nicht wundern brauche. Die ziehenden Schmerzen wären auch ein Ausdruck von Schwächung. Die neue Kräuter-Mischung wird auch darauf abgestimmt.
 
22. Mai 2009   Vorerst letzte Chemotherapie – in 4 Wochen Kontrolle der Blutwerte. Davon abhängig wird die Stammzellen-Gewinnung geplant.
 
31. Mai 2009   Eine Woche nach der letzten Behandlung halten ein paar Nebenwirkungen immer noch an – leichtes Kribbeln in Händen und Füßen, Gefühl von kalten Zehen, ziehende Schmerzen vom unteren Rücken, die Beine entlang. Am meisten macht mir die permanente Müdigkeit zu schaffen. Für diese Müdigkeit gibt es auch einen Namen – Fatigue. Es ist also auch nichts Ungewöhnliches und bessert sich mit der Zeit. So verbringe ich Pfingsten mit viel Entspannung.
 
inzwischen   Die Nebenwirkungen – Polyneuropathie und Fatique – halten weiter an. Manchmal ist nicht viel zu spüren, dann wieder die ziehenden Schmerzen in den Beinen, Kribbeln, Kältegfühl und extreme Müdigkeit. Manchmal ist es besser, dann wieder intensiver. Ein langer Arbeitstag ist meist nicht zu schaffen.
Nach Erfahrungsberichten ist mit einem Abklingen dieser Zustände in einem Zeitraum von 3-6 Monaten zu rechnen.
 
13. Juli 2009   Nachdem Dr. Fridrik beim letzten Termin nicht da war, besprechen wir heute, wie es weiter geht. Nachdem es zeitlich passt, werde ich gleich morgen im AKh aufgenommen, damit ich gleich am kommenden Mittwoch mit der vorbereitenden Chemotherapie für die Stammzellen-Entnahme beginnen kann.
 
14. Juli 2009   Die heutige Blut-Untersuchung ergibt einen M-Gradient von "3,7". Dr. Fridrik spricht von einer nahezu kompletten Remission und ist mit dem Erfolg der ersten Chemotherapie sehr zufrieden.
 
16. Juli 2009   Im Krankenhaus hatte ich seit gestern 8:00 Uhr und heute noch bis ca. 21:30 Uhr Nonstop-Programm.
Bis gestern 23:00 Uhr habe ich die Chemie bekommen. Wie es aussieht vertrage ich das Zeug ganz gut. Neben einem medikamentösen Schutz der Nieren und ableitenden Harnwege bekam ich als Verdünnung eine Dauer-Infusion mit Kochsalzlösung und Gluckose - alle 4 Stunden 1 Liter. Auf diese Weise zischen mit gestern und heute ca. 13 Liter zusätzliche Flüssigkeit durch meine Venen.
Nach 37 Stunden an Schläuchen und mit der Bewegungsfreiheit, die de Infusionsständer zulässt war es ein absolutes Vergnügen mit dem Fahrrad nach Hause zu fahren.
 
17. Juli 2009   Mir geht es heute ausgesprochen gut. Es ist nur ein leichtes Kribbeln in den Unterschenkeln zu spüren und das Gefühl kalter Füße. Die Beine spüren sich auch noch ziemlich schwer an. Aber sonst fühle ich mich fit und so fahre ich mit dem Fahrrad ins Büro.
 
23. Juli 2009   Die Chemo beginnt zu wirken. – Erschöpfung und Kurzatmigkeit werden stärker bzw. sind manchmal mehr oder weniger. Am Dienstag und heute bin ich wieder im Büro. Seit Sonntag spritze ich die Hormone, die meine Zellbildung anregen. Jetzt setzen auch die angekündigten Knochenschmerzen (wenn das zu arbeiten beginnt) ein. Für diesen Fall habe ich Voltaren bekommen. Eine Weile habe ich versucht das auszuhalten und dann doch eine Tablette genommen. Ab morgen muss ich dann täglich zur Blutuntersuchung, ob die frischen Stammzellen schon in die Blutbahn kommen. Wenn das im ausreichenden Maß der Fall ist (voraussichtlich im Lauf der kommenden Woche) bekomme ich den Einberufungsbefehl ins Krankenhaus – zur Stammzellen-Ernte.
 
27. Juli 2009   Gestern habe ich meinen Einberufunfsbefehl ins Krankenhaus bekommen. Dann ist alles gleich zack zack gegangen. Kaum bin ich vom Fahrrad abgestiegen und habe mich umgezogen, haben sie darauf bestanden, dass sie mich mit dem Bett in die Anästhesie transportieren. Dort haben sie mir den Venenkatheter gelegt. Jetzt schaue ich wie ein Alien aus, mit den 2 dicken Schläuchen, die aus meinem Hals heraus hängen. Den Nachmitttag habe ich dann auf der Blutbank (4 Stunden) verbracht wo sie Stammzellen ausgeschleudert haben. Dort durfte ich dann doch wieder zu Fuß hin gehen. Und weil alles gar so fesch gelaufen ist, darf ich heute um 10 Uhr gleich wieder hin.
 
28. Juli 2009   Die Stammzellen-Ernte (nach 2-maliger Blutwäsche) war erfolgreich (reicht locker für mindestens 2 Transplantationen). Deshalb darf ich heute wieder nach Hause.
Dr. Fridrik hat gemeint, es würde gerade passen, dass wir in 4-6 Wochen die Transplantation durchführen. Aber schön langsam habe ich genug von der ganzen Traktiererei. So haben wir vereinbart, das ich zuerst zur Gesundheitswoche nach Bad Aussee fahre und dann darf er mich ab Mitte Oktober wieder einsperren. Aber vorher will ich mich auch wieder einmal selbst spüren.
 
29. Juli 2009   Als ich mir am Morgen beim Fönen mit den Fingern durch die Haare fahre, habe ich die Hände voll mit diesen. Es ist ungefähr so, wie wenn Ginger (meine Katze) das Fell wechselt. Also mache ich gleich kurzen Prozess und tausche den Fön gegen den Rasierer. Der kahle Kopf steht mir ganz gut und ist in jedem Fall sehr pflegeleicht. Im Büro meint ein Kollege: "Jetzt schaust Du auch noch aus wie ein Guru."
 
25. August 2009   Die Nebenwirkungen der Chemotherapien klingen immer mehr ab. Das Kribbeln bzw. taube Gefühl ist jetzt meist nur mehr in den Füßen und manchmal nehme ich es auch gar nicht wahr. Schmerzen in dem Sinn habe ich schon seit ca. einem Monat nicht mehr. Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit sind noch etwas eingeschränkt. Wenn ich 2 Stockwerke über die Stiegen gehe, bin ich etwas außer Atem. Nach ca. 3 Stunden auf den Beinen ist es genug. Ein Tagespensum von ca. 30 km Radfahren ist auch zu schaffen. Auch nachts kann ich jetzt meist fast durchschlafen.
 
22.-23. September 2009   2-tägiger stationärer Aufentahlt im AKh - zum Check-Up für die Stammzellentransplantation – alles OK.
 
12. Oktober 2009   Beginn eines längeren stationären Aufentahltes im AKh – zur Stammzellentransplantation:
Hochdosis-Chemotherapie am Dienstag – damit das Blase und Niere nicht zu sehr belastet bekomme ich von Montag bis Freitag täglich 6,5 l Kochsalzlösung als Infusionen im Nonstop-Programm (ca. alle 4 Stunden wird wieder ein Liter angehängt).
Verlegung in die Quarantäne am Mittwoch
am Donnerstag bekomme ich dann meine Stammzellen wieder, ...
Mein M-Gradient ist wieder auf "9,2". Es ist also durchaus an der Zeit mit der Behandlung zu beginnen.
 
15. Oktober 2009   Meine Stammzellen sind jetzt – wie die Lachse – am Weg zu ihrem Ursprung. Sie wandern über die Blutbahn zurück in die Knochen, wo sie sich zu neuen Blutzellen entwickeln.
Für den Rest des Tages hat sich Appetitlosigkeit eingestellt, Durchfall und zunehmende Müdigkeit. Ansonsten habe ich keinerlei Schmerzen oder Beschwerden.
Nachdem durch die Chemotherapie erstmal die alten Blutzellen absterben, wird die Müdigkeit über's Wochenende noch zunehmen.
 
16. Oktober 2009   Heute hat das Frühstück wieder geschmeckt. Dann habe ich auch gleich mein Fitness-Programm (10 min Ergometer, Thera-Band, ...) absolviert.
Auch sonst gibt es den ganzen Tag Programm: Neben den üblichen Untersuchungen, werde ich auch noch von einem Psychoonkologen und einer Physiotherapeutin betreut.
Die Isolation kann ich derzeit gut genießen. Vor allem nachts bin ich froh, wenn mich da nicht irgendjemand neben mir mit ungewohnten Schlafgeräuschen stört bzw. der Schlaf durch notwendige Betreuungsaktivitäten unterbrochen wird. Und selbst fühle ich mich auch freier damit, aufzustehen oder Licht aufzudrehen, wie ich das brauche. Und die Fernbedienung für den Fernseher gehört mir ganz allein.
 
20. Oktober 2009   Abgesehen von Müdigkeit, Nachlassen der Körperkräfte, Durchfall und Appetitlosigkeit geht es mir gut. Nach wie vor kann ich es gut genießen auch dann wieder einmal für mich zu sein, wenn nicht gerade jemand ins Zimmer wuselt. Andererseits ist es auch sehr bereichernd, zu erleben, wie viele Menschen sich den ganzen Tag mit mir beschäftigen und mit viel Aufmerksamkeit und Freundlichkeit dafür sorgen, dass es mir hier gut geht.
Meine Aktivitäten beschränken sich nach dem morgendlichen Fitness-Programm auf das Protokollieren der aufgenommenen und ausgeschiedenen Flüssigkeiten. Das könnte man auch zur Zen-Kunst erheben, wenn man seine Aktivitäten so weit beschränkt, dass das Wesentliche nur noch der eigene Stoffwechsel ist – im Prinzip Auseinandersetzung mit Transformationsprozessen und dass in gewisser Weise ein Mensch und ein Komposthaufen ähnlich funktionieren. Auch dort können im Endeffekt sogar die heftigsten Giftstoffe in Basis für blühendes Leben umgesetzt werden.
Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich mit intensivem Geschmack oder Essensgeruch überfordert und muss mich bemühen zumindest eine halbe Essensportion zu mir zu nehmen. So bereichernd früher Chili und andere Speisen mit exotischen Gewürzen für mich waren, ist jetzt mein Limit mit dem heftigen Aroma von Kamillentee oder Eiernockeln aus der Krankenhausküche erreicht.
Meine Blutwerte werden in den nächsten Tagen noch kräftig nach unten sinken. Dr. Fridrik hat gemeint, dass ich es auch dann nicht mehr auf den Ergometer schaffen werde (z'erst schau ma moi – daun seh'n ma scho). Zum Wochenende hin sollte dann auch die Entwicklung und Teilung meiner frischen Stammzellen ihre Wirkung zeigen.
 
26. Oktober 2009   Nach einigen Tagen der Schwankungen von erhöhter zu Normaltemperatur hat nun doch Fieber eingesetzt. Deshalb bekomme ich jetzt eine antibiotische Therapie bis das Fieber wieder herunten ist.
Gestern habe ich ein Thrombozyten-Konzentrat bekommen, heute sind die Werte wieder in Ordnung. Auch rote Blutkörperchen habe ich genug.
Durchfall ist schon seit fast einer Woche weg. Seit Donnerstag waren meine Leukozyten nahe dem Null-Bereich. Seit heute steigen sie konstant an. Fieber geht damit einher: Die neuen Leukozyten üben sich schon in ihrer Funktion – brauchen aber noch etwas Unterstützung.
Das Fitness-Programm geht manchmal nur eingeschränkt. Aber ein Minimum von 10 Minuten am Ergometer ist immer möglich gewesen.
 
30. Oktober 2009   Jetzt bin ich schon den dritten Tag fieberfrei. Die Vermehrung meiner Leukozyten verläuft schwankend und sie müssen sich noch etwas mehr als verdoppeln, damit ich aus meiner Isolation entlassen werden kann. Dann sind es aber immer noch erst ¼ des unteren Normalwertes.
Aber insgesamt fühle ich mich recht wohl. Auch mein Fitness-Programm ist wieder in vollem Umgang möglich.
Seit vorgestern fallen auch wieder die Haare aus. Wegen zu wenig Leukozyten darf ich mich aber nicht rasieren. Darum habe ich jetzt eine starke Ausdünnung der Kopfhaare und des Bartes mit Glatzen-Flecken – wie ein räudiger Kater.
 
2. November 2009   Endlich wieder frei – am Nachmittag wurde die Quarantäne aufgehoben.
Nachdem meine Leukozyten-Werte wieder etwas abgefallen waren, bekam ich am Vormittag Neupogen verordnet, das die Vermehrung der weißen Blutkörperchen anregen soll. Um 14:00 Uhr wurde mir Blut abgenommen und dann bekam ich eine Neupogen-Spritze. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber bereits genug Leukozyten damit die Quarantäne aufgehoben werden konnte.
 
3. November 2009   Bis morgen bekomme ich noch Antibiotika. Dann wird auch mein Venen-Katheter entfernt. Voraussichtlich am Freitag darf ich dann wieder nach Hause.
Die Anzahl meiner Leukozyten ist dank Neupogen jetzt bereits im Bereich des unteren Normalwertes.
 
5. November 2009   Es ist überstanden. Ich darf heute schon nach Hause.
Mein M-Gradient ist derzeit auf "6,4".
 
17. November 2009   Mein M-Gradient ist auf "2,68" und soll weiter – möglichst auf Null sinken.
 
24. November 2009   Mein M-Gradient ist auf "5,78" angestiegen und die Leukozyten auf 2,4 G/l (Normalwert = 4.0 - 10,0 G/l) abgefallen.
 
22. Dezember 2009   Heute bekomme ich wieder (alle 4 Wochen) meine Zometa-Infusion und gleichzeitig wird mein Blutbild kontrolliert. Die vollständigen Ergebnisse gibt's erst nächste Woche. Mit Dr. Fridrik bespreche ich den bisherigen Verlauf meiner Labor-Werte. Demnach muss ich mit Schwankungen der Labor-Werte rechnen und dass das eben noch dauert, bis sich das stabilisiert. – Das Leben bleibt also spannend.
 
 
Link Tagebuch 2010 – Rezidiv nach der Stammzellen-Transplantation, schmanische Therapie mit Ayahuasca im Peruanischen Regenwald
Link aktuelles Tagebuch